“Friede sei mit dir!” Eine Geschichte vom kleinen Engel
Kurzbeschreibung
“Erzähl mir vom Frieden!” so lautet das Thema der diesjährigen FriedensDekade und die Geschichte vom kleinen Engel soll Kinder mit dem “Friede sei mit dir!” dabei begleiten.
Friede sei mit dir!
Der große Engel seufzt tief, so herrlich friedlich ist es hier. Er sitzt auf seiner Bank und genießt die warmen Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Das dicke Buch liegt auf seinem Schoß und langsam fallen ihm die Augen zu…
„So ein gemeiner Kerl, so ein fieser Kerl, so ein gemeiner Kerl, so ein fieser Kerl!“ Der große Engel zuckt zusammen. Immer lauter dröhnt die Stimme des kleinen Engels durch den Garten: „So ein gemeiner Kerl, so ein fieser Kerl!“ Der kleine Engel steht am großen Baum in der Mitte des Gartens und tritt gegen die Rinde, dass die Blätter vom Baum herabrieseln.
Der große Engel räuspert sich laut und der kleine Engel tritt nochmals kräftig gegen den Baum. „Sag mal kleiner Engel, was ist denn mit dir los? Was hat der Baum dir getan?“ „Nix, hat der mir getan, aber ich habe mich so geärgert!“ In diesem Moment fällt ein großer roter Apfel dem kleinen Engel auf den Kopf und der große Engel muss lachen. Doch als er den wütenden und schmerzverzerrten Blick des kleinen Engels sieht, bemüht er sich um ein ernstes Gesicht…
„Was ist passiert?“, fragt der große Engel. Da lässt der kleine Engel sich einfach auf den Boden plumpsen und setzt sich ins schattige Gras. Anklagend beginnt er zu erzählen: „Der Goldlockenengel hat „Kleiner“ zu mir gesagt! Gerade eben! Ich war gerade auf dem Weg in den Garten und da hat er hinter mir hergerufen: „Hey, Kleiner!“
Der große Engel schaut etwas irritiert auf den kleinen Engel: „Okay… Und was hat dich so in Aufregung versetzt?“
„Er hat „KLEINER“ zu mir gesagt!“, jammert der kleine Engel und schaut empört zum großen Engel.
„Aber du bist doch der kleine Engel?“, sagt der große Engel, „Ich bin der große Engel und du bist der kleine Engel! Der Goldlockenengel hat seinen Namen wegen der goldenen Locken. Dann gibt es den Küchenengel, den Gartenengel…“
„Er sollte besser Schafengel heißen mit dem komischen Fell auf dem Kopf!“, murmelt der kleine Engel. „Was hast du gesagt?“, fragt der große Engel. „Er sollte besser Schafengel heißen mit den Schafslocken auf dem Kopf, habe ich gesagt! So habe ich dann auch zu ihm gesagt: „Schafskopf“, habe ich zu ihm gesagt! Wenn er mich als „klein“ bezeichnet, kann ich auch „Schaf“ zu ihm sagen! So!“
„Du hast „Schaf“ zum Goldlockenengel gesagt?“, der große Engel ist entsetzt, „und dann?“
„Na dann ging es richtig los!“ Der kleine Engel zeigt auf seine schmutzige Hose und auf sein zerrissenes Hemd. „Dann hat er mich am Kragen geschnappt und ich habe ihn gegen das Schienbein getreten und er hat mich einfach hochgehoben und da habe ich ihm in die Schaflocken gegriffen und so richtig feste an den Haaren gezogen! Aber er hat mich abgeschüttelt und dann bin ich einfach weggelaufen!“ Voller Zorn beginnt der kleine Engel zu schluchzen.
Der große Engel seufzt und lässt sich neben dem kleinen Engel ins Gras fallen. Er nimmt den kleinen Engel in den Arm und wartet bis das Weinen nachlässt. Dann zieht er ein großes Taschentuch aus seiner Tasche und gibt es dem verheulten kleinen Engel. Nachdem der sich kräftig geschnäuzt hat, fragt der große Engel vorsichtig: „Was wollte der Goldlockenengel eigentlich von dir?“ Mit großen Augen schaut der kleine Engel hoch. „Wie meinst du das?“ „Na, er hat dich doch gerufen? Er hat „Kleiner“ gerufen. Was wollte er von dir?“ Verdutzt guckt der kleine Engel: „Das weiß ich nicht? Ich habe nur das „Kleiner“ gehört und da habe ich mich geärgert! Und dann hat der Streit angefangen!“
„Kleiner Engel, was ist die Aufgabe eines Engels? Was hast du gelernt?“, fragt der große Engel.
Der kleine Engel richtet sich auf und beginnt voller Stolz: „Wir Engel sind Lichtbringer. Wir sind die Boten Gottes. Wir sind Wegbegleiter und Beschützer der Geschöpfe Gottes. Wir sind tapfer, klug und mutig. Wir begleiten und leiten die Menschen und setzen uns für Frieden ein…“ Der kleine Engel wird immer leiser: „Wir setzen uns für Frieden ein… das habe ich vergessen!“ „Und wie setzen wir uns für Frieden ein?“, fragt der große Engel. Flüsternd zählt der kleine Engel auf: „Wir behandeln uns gegenseitig mit Respekt. Wir beschimpfen uns nicht. Wir lassen unser Gegenüber aussprechen und sagen, wenn unsere Gefühle verletzt werden…“
„Aber er hätte trotzdem nicht „Kleiner“ zu mir sagen dürfen!“ Der große Engel tätschelt dem kleinen Engel auf den Kopf. „Weißt du, was ich in solchen Momenten immer mache?“ Der kleine Engel schaut fragend zum großen Engel auf. „Ich atme einmal tief ein und sage zu meinem Gegenüber: Friede sei mit dir! Dann geht es mir schon ein wenig besser und ich kann warten, was kommt.“ Der große Engel lächelt. „Probiere es doch mal aus! Los, auf! Mach dich auf den Weg, sei mutig und suche den Goldlockenengel, sonst wirst du nie erfahren, was er von dir wollte!“
Der große Engel nickt dem kleinen Engel auffordernd zu, und so macht sich der auf den Weg. Gleich am Rande des Grundstücks sitzt der Goldlockenengel auf der Gartenmauer. Seine Haare leuchten in der untergehenden Sonne und umgeben sein Gesicht mit einem hellen Kranz.
„So ein Schafkopf!“, denkt der kleine Engel, als er auf ihn zuläuft, und das Grummeln im Bauch kehrt zurück. Schon hört er die Stimme des Goldlockenengels: „Da kommt er ja, der Zwerg! Pass auf, dass du nicht über einen Grashalm stolperst, so klein wie du bist!“
Im kleinen Engel brodelt es. „Hast du mich nicht gehört? Soll ich weiter nach unten sprechen, damit du mich besser hören kannst?“
Der kleine Engel spürt, wie er vor lauter Wut ganz rote Backen bekommt. „Miniengel – sind deine Ohren zu winzig? Kannst du mich nicht mehr hören?“
Da reicht es dem kleinen Engel. Er stellt sich vor den Goldlockenengel, stemmt seine Hände in die Hüften und knirscht zwischen den Zähnen hervor: „Friede sein mit dir!“
Ungläubig starrt der Goldlockenengel ihn an. „Was hast du gesagt?“
„FRIEDE SEI MIT DIR!“, schleudert der kleine Engel dem Goldlockenengel entgegen.
Der Goldlockenengel reißt die Augen auf und der Mund steht ihm offen: „Wie bitte?“, fragt er.
Nun muss der kleine Engel lächeln: „Friede sei mit dir!“, und er kann ein Lachen kaum noch unterdrücken, so verblüfft sieht sein Gegenüber aus.
„Und Friede sei auch mit dir!“, antwortet der Goldlockenengel verdutzt.
Dann beginnen beide zu lachen. „Sag mal, was hast du eigentlich von mir gewollt, als du mich gerade eben gerufen hast?“, fragt der kleine Engel.
„Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir zusammen eine Runde Fußball zu spielen! Du hast einen tollen Schuss und kannst dich so gut durch die gegnerische Mannschaft dribbeln. Das ist so cool! Ich hätte dich gerne in meinem Team!“ Der kleine Engel reißt verblüfft die Augen auf: „Ich darf bei dir mitspielen? Ihr seid die besten Kicker weit und breit!“ Der Goldlockenengel reibt sich das Schienbein: „Wie kräftig du treten kannst, habe ich jetzt hautnah erlebt. Ich würde mich freuen, wenn du bei mir dabei wärst! Aber warum bist du gerade eben so ausgetickt und hast mich noch nicht mal ausreden lassen?“
Der kleine Engel bekommt wieder ganz rote Backen, dieses Mal, weil er sich schämt: „Entschuldige bitte mein Verhalten, es tut mir leid. Ich dachte, du willst dich über mich lustig machen, und ich wollte nicht, dass du mich für klein hältst. Ich habe mich nie getraut, euch zu fragen, ob ich mitspielen darf, weil ich dachte, ihr haltet mich für zu winzig. Also habe ich etwas gesucht, mit dem ich dich verletzten kann. Bitte verzeih mir, ich habe es aus Wut gesagt. Eigentlich finde ich deine Locken richtig toll und ich liebe Schafe!“
Der Goldlockenengel lacht: „Heute hast du bewiesen, dass du ein ganz Großer bist. Einen Fehler eingestehen, sich entschuldigen und auch noch sagen können, warum man sich so gefühlt hat, das ist richtig toll!“ Er hebt seine Hand, und der kleine Engel und der Goldlockenengel klatschen sich ab: „Friede sei mit dir!“, sagen sie und lachen dabei.
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