„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ Eine Geschichte vom kleinen Engel zur Jahreslosung 2024
Kurzbeschreibung
Eine Geschichte vom kleinen Engel zur Jahreslosung 2024
Die Erzählung
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“
Eine Geschichte vom kleinen Engel zur Jahreslosung 2024
„So eine Gemeinheit! So eine Riesengemeinheit! So einen Riesenriesenriesengemeinheit!! So eine Riesenriesenriesenriesenriiiiiiiiiiiiesengroße Gemeinheit! Immer ich, niemand anders! Immer ich! Das ist eine Gemeinheit! Eine Riesengemeinheit…!“
Erstaunt blickt der große Engel von seinem Buch auf. Da kommt der kleine Engel um die Ecke und man hört ihn schon von Weitem motzen: „Immer ich! Das ist gemein! Eine Riesengemeinheit!“ Der kleine Engel trampelt den Weg entlang, den Blick fest auf dem Boden und so sieht er den großen Engel nicht und rauscht voll in ihn hinein.
„Hoppala! Was ist denn mit dir los?“, fragt der große Engel erstaunt, und schon geht das Geschimpfe wieder los. „So eine Gemeinheit! So eine Riesengemeinheit! Immer ich, das ist gemein! Niemand anders! Nur ich!“ Der kleine Engel ist ganz aufgebracht. Rote Backen hat er vom Schimpfen, in den Augen glitzert es feucht vor lauter Wut und Zorn und Frust. Seine Stimme überschlägt sich beinahe.
„Jetzt mal langsam,“ beruhigt ihn der große Engel, „komm setz dich zu mir und erzähle mir, was dich so aufgebracht hat.“ Der kleine Engel lässt sich neben den großen Engel plumpsen und schnauft tief: „Du hast gut reden! Du sitzt hier den ganzen Tag und liest! Aber ich? Ich muss schuften bis zum Umfallen – keine ruhige Minute! Immer nur: „Mach dies, mach das! Nein, nicht so! Mach das so! Streng dich an! Gib dir Mühe, los – ein bisschen schneller! Bist du immer noch nicht fertig? Das musst du sorgfältiger machen!“ so geht das die ganze Zeit!“ Der kleine Engel streckt dem großen Engel seine Hände hin. „Schau dir mal meine Finger an! Die sind ganz rot gefärbt und ich habe mich geschnitten und hab Blasen an den Händen! Mein Rücken tut mir weh und ich bin ganz verschwitzt und dreckig!“ Der große Engel muss ein wenig lächeln. Ja, der kleine Engel sieht nicht mehr ganz frisch aus. Die Haare sind zerzaust, die Fingernägel dreckig und die Fingerspitzen leuchten dunkelrot. Auf den Handflächen sind dicke Blasen zu sehen und quer über sein Gesicht ist eine dunkle Dreckspur, wahrscheinlich ist sich der kleine Engel einmal mit schmutzigen Händen durchs Gesicht gefahren.
„Jetzt erzähl mal, was hast du heute gemacht?“
„Eigentlich hat es heute Morgen gut angefangen. Ich war in der Backstube und hab mich schon auf einen leckeren Tag gefreut, mit all den Zuckerstreuseln und Schokodrops, den leckeren Kuchen und dem frischen Brot. Aber dann hat der Engel in der Backstube gesagt, ich muss den Teig kneten – das war voll glibberig! Die ganze Pampe hat mir zwischen den Fingern geklebt und die Hefe hat so komisch gerochen! Und der Küchenengel hat gesagt, ich muss kneten-kneten-kneten und dann warten-warten-warten und wieder kneten-kneten-kneten und dann hat er den Teig einfach weggestellt und gesagt, jetzt kann ich gehen! Nix durfte ich probieren, nur kneten-kneten-kneten und dann gab es noch nicht einmal was zu essen!“
Der große Engel nickt.
„Aber dann ging es weiter! Der Gartenengel hat mich gesehen und gerufen: „Dich kann ich gut gebrauchen!“ Und schon hat er mich bei den Holunderbüschen abgestellt und mir eine Gartenschere in die Hand gedrückt: „Jetzt wird geerntet!“, hat er gesagt und ganz fröhlich dabei gelacht! Gelacht hat er! Weil ich so klein bin soll ich die Holunderbeeren unten abschneiden. Das ging am Anfang ja noch gut – ich hab die Dolden abgeschnitten und schnell hat sich mein Korb gefüllt und ich hab gedacht: „Das geht ja richtig flott!“, aber dann hat der Gartenengel meine Ernte angeschaut und gesagt ich muss alles nochmal ausleeren und die hellen Beeren ausschneiden, kein Blättchen darf an den Beeren sein und zerquetschte Beeren soll ich gleich wegwerfen! ALLES WIEDER RAUS AUS DEM KORB! Die ganze Arbeit nochmal, jede einzelne Holundertraubendolde! Hast du eine Ahnung, wieviel Geschäft das war?“
Der große Engel nickt.
„Aber es wurde noch schlimmer! Nachdem mein Korb voll war, musste ich die ganzen Beeren in die Küche schleppen und der Küchenengel hat in die Hände geklatscht und sich gefreut! „Jetzt kann es losgehen!“, hat er gesagt und gestrahlt, als ob er ein Riesengeschenk bekommen hätte! Weißt du was ich dann machen musste?“, der kleine Engel schaut den großen Engel entrüstet an. Der große Engel schüttelt den Kopf. „Ich musste die ganzen Beeren mit der Gabel abstreifen! Der Küchenengel hat es mir gezeigt, Gabel hinter den Stiel und langsam nach oben schieben, dann fallen die Beeren in den großen Topf! Jede einzelne Dolde, Gabel rein und abstreifen, Gabel rein und abstreifen, Gabel rein…“ Der kleine Engel seufzt! „Schau dir mal meine Finger an! So eine Riesenschweinerei! Die Beeren spritzen in alle Richtungen und der ganze Saft läuft einem über die Finger! Dann hat der Küchenengel gesagt, ich muss langsam machen – wie Streicheln – pffff – der spinnt doch!“ Der kleine Engel seufzt.
Eine Zeitlang sitzen der große und der kleine Engel ganz still nebeneinander. Da sagt der große Engel: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Der kleine Engel schaut den großen Engel verwirrt an: „Was hast du gesagt?“ „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“, wiederholt der große Engel mit ruhiger Stimme. „Wie meinst du das?“, fragt der kleine Engel, doch wieder sagt der große Engel nur: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Da steht der kleine Engel wütend auf und klopft sich die Kleider ab: „Ich bin müde und schmutzig und ich habe keine Ahnung, was du damit meinst! Ich geh jetzt in die Badewanne und dann ins Bett. Für heute habe ich genug!“ Damit stapft der kleine Engel wütend davon.
Als er am Abend sauber und müde in seinem Bett liegt, muss der kleine Engel über die Worte des großen Engels nachdenken. Was hat er wohl damit gemeint? „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Der Satz lässt dem kleinen Engel keine Ruhe, doch er ist zu müde und so schläft er schnell ein.
Am nächsten Morgen weckt ein Sonnenstrahl den kleinen Engel und als er sich reckt und streckt klingt wieder die Stimme des großen Engels in seinen Ohren: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Der kleine Engel seufzt. Keine Ahnung, was der große Engel ihm damit sagen wollte. Jetzt knurrt der Magen vom kleinen Engel laut und vernehmlich. Mit vollem Bauch kann er vielleicht besser nachdenken. Also macht er sich auf zum Esszimmer. Auf dem Tisch steht das Frühstück schon bereit. Frisches Brot und Brötchen, Haferflocken und Müsli, Butter, Frischkäse und viele weitere Leckereien. Dem kleinen Engel läuft das Wasser im Mund zusammen. Ein herrlicher Duft zieht durch den Raum, und da entdeckt er den frisch gebackenen Hefezopf. Goldbraun mit Hagelzucker, in den Flechten ist die Kruste sonnengelb. Daneben liegt das große Messer und der kleine Engel schneidet sich eine dicke Scheibe ab. Der Hefezopf ist noch warm und der Teig ist fluffig und luftig. Der kleine Engel musss schlucken. „Ich liebe Hefezopf!“, denkt er, „Wenn jetzt noch mein Lieblingsgsälz da ist…“ Zum Glück! Da steht noch ein Glas mit dem dunkelroten Gelee. Zwei gehäufte Teelöffel landen auf dem Hefezopf, und der kleine Engel schließt genießerisch die Augen. Ein riesengroßer Biss landet in seinem Mund, und der himmlische Geschmack breitet sich aus. Der kleine Engel beginnt zu lächeln.
Da hört er ein Lachen. Der Backstubenengel steht in der Eingangstüre: „Du hast Recht, dein Hefezopf ist ein richtiges Gedicht geworden!“ Der kleine Engel blickt erstaunt hoch, sein Mund ist immer noch voll mit dem leckeren Gebäck. Also nuschelt er: „Mean Höfezofff?“ Wieder lacht der Backstubenengel: „Ja, klar! Dein Hefezopf! Du hast doch gestern den Teig geknetet. Und dank deiner Kraft und deiner Ausdauer ist der Teig so herrlich aufgegangen und der Hefezopf ist luftig und fluffig! Einfach ein himmlischer Traum!“ Der kleine Engel kaut schnell und schluckt den großen Bissen herunter. „Das habe ich gemacht?“ Da nickt der Backstubenengel. Auch er schneidet sich eine dicke Scheibe vom Hefezopf und kratzt die letzten Reste vom dunkelroten Gelee aus dem Glas. „Ich glaube, wir brauchen ein Neues! Würdest du bitte eines aus der Küche holen?“
Der kleine Engel springt auf und läuft los. Das komische Glibberzeug von gestern war der Teig für den Hefezopf? Und durch das viele Kneten ist der Hefezopf locker und lecker geworden? Der kleine Engel kann es kaum glauben. Da hört er die Stimme des großen Engels in seinem Kopf: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
An der Küche angekommen blickt der kleine Engel überrascht. Die ganze Küche ist voller Dampf und große Töpfe stehen auf dem Herd. Es blubbert und brodelt in allen Ecken, ein fruchtiger Duft zieht durch den Raum. Der Küchenengel steht an einem der großen Töpfe und rührt emsig. „Was für ein Glück, dass wir gestern mit dem Holundergelee angefangen haben, kleiner Engel! Das war das letzte Glas heute Morgen auf dem Frühstückstisch.“
„Holundergelee?“, der kleine Engel schaut erstaunt in das leere Glas. „Meine Lieblingsmarmelade ist Holundergelee?“ Da lacht der Küchenengel: „Hast du das nicht gewusst? Unser Holundergelee ist das Lieblingsgelee der Engel. Gestern habe ich aus unseren Beeren noch Saft gemacht und daraus kochen wir das leckere Gelee. Zum Glück haben wir gestern noch unsere Ernte verarbeitet, sonst würden die Engel am Frühstückstisch lange Gesichter machen. Ich gebe dir gleich die ersten Gläser für das Frühstück mit!“
Der Küchenengel gibt dem kleinen Engel einen Korb voller Holundergeleegläser. „Wenn du später möchtest, kannst du mir mit dem restlichen Gelee gerne helfen. Deine helfenden Hände kann ich gut gebrauchen! Du hast gestern toll mitgearbeitet!“ Voller Stolz läuft der kleine Engel zurück zum Frühstück und wieder hört er die Stimme des großen Engels in seinem Kopf: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Auf dem Rückweg kommt er am Garten vorbei und winkt dem Gartenengel zu. Der steht schon wieder mit der Gartenschere an den Holunderbüschen. „Vielen Dank kleiner Engel, du hast gestern so toll geholfen. Heute schneide ich die Holunderbüsche zurück, damit wir im nächsten Jahr wieder so eine gute Ernte bekommen können. Und dann setze ich die Holunderstecklinge für die neuen Büsche. Wenn du magst, kannst du mir gerne helfen.“ Der kleine Engel nickt, läuft weiter und muss lächeln. Wieder hört er die Stimme des großen Engels in seinem Kopf: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ Und mit einem Mal lässt der kleine Engel sich auf den Boden plumpsen.
Wieder geht ihm der Satz des großen Engels durch den Kopf und der kleine Engel denkt an die anderen Engel. Der Backstubenengel, der vom Kneten der Teige kräftige Arme hat: Wie er jeden Tag die unterschiedlichen Backwaren zusammenrührt, knetet und backt. Wie er früh am Morgen in der Backstube steht, damit die Engel frisches Brot und Leckereien auf dem Frühstückstisch haben. Der Gartenengel mit den schwieligen Händen, der sät und pflegt und manchmal erst nach vielen Jahren die Früchte seiner Arbeit sieht. Das ganze Jahr ist er für seine Pflanzen da und weiß, was jede von ihnen braucht. Und dann der Küchenengel, der aus den einfachsten Zutaten himmlische Genüsse zaubert und sich jeden Tag für die Engel etwas Leckeres einfallen lässt. Sie alle arbeiten hart und trotzdem haben sie ein Lächeln im Gesicht. Sie lieben, was sie tun, auch wenn es anstrengend ist und sie manchmal lange auf ein Ergebnis warten müssen. Manche Arbeit beginnt schon nach wenigen Tagen wieder von vorne und manche Arbeiten sind mühsam. Doch immer sind die Engel mit Liebe bei der Sache.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“, denkt der kleine Engel. „Jetzt habe ich verstanden, was der große Engel mir sagen wollte!“ Er krempelt die Ärmel hoch und lächelt. Mal schauen, was dieser Tag Wundervolles bringen wird.
Simone Grasi
Vorbereitung
Ich erzähle meine Geschichten in der Großgruppe mit der Altersstufe von 3-6 Jahren und viele meiner Kindergartenkinder verfügen nur über wenig Deutschkenntnisse.
Beim Erzählen kann ich mit den Kindern interagieren, kann auf Unruhe reagieren, kann einige Stellen besser erklären oder kann Geschichten spontan kürzen bzw. Stellen weglassen.
Die Erfahrung zeigt, dass die Geschichten nach der Erzählung wenig pädagogische Aufbereitung brauchen. Dies geschieht in meiner Gruppe „nebenbei“, z.B. beim Essen, am nächsten Tag, in Einzelgesprächen.
Probiert das Erzählen von Geschichten aus! Seid mutig! Der Vorteil ist: die Kinder und anderen Beteiligten kennen die Erzählung nicht. Eure Persönlichkeit fließt in die Geschichte ein und macht sie lebendig.
Damit ihr euch die Geschichte gut merken könnt, empfehle ich die Technik von Jochem Westhof (www.jochemwesthof.de): stellt euch die Erzählung als Kameraeinstellung im Film vor. Wie sieht es dort aus? Was passiert? Es genügt, sich den Anfang und das Ende einer Geschichte gut zu merken (erster Satz und letzter Satz sollte auswendig gelernt sein) und den roten Faden im Gedächtnis zu haben.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Religionspäd. Überlegungen
Die Geschichte vom kleinen Engel lädt dazu ein, sich über Gefühle zu unterhalten. Wie so viele Kinder, erlebt der kleine Engel Frustrationen und muss mit seinen negativen Emotionen zurechtkommen: Wut, Enttäuschung, Zorn.
Sich anstrengen müssen, unliebsame Aufgaben erledigen, nicht sofort für ein Ergebnis belohnt werden, kritisiert werden – der kleine Engel muss eine ganze Menge aushalten und auch die Kinder brauchen Lernfelder, um die exekutiven Funktionen zu entwickeln.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Die Jahreslosung lädt dazu ein, meine Sichtweise auf das Leben zu reflektieren. Mit unserer Perspektive entscheiden wir häufig, ob ein Vorhaben gelingt und ob ein Erlebnis positiv oder negativ im Gedächtnis bleibt.
Anstrengungsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Zusammenarbeit mit anderen führen für den kleinen Engel zu ganz neuen Gefühlen. Er ist stolz auf sein Tun, er ist motiviert, neue Aufgaben anzugehen, er genießt die Früchte seiner Arbeit sehr bewusst.
Solche Erfahrungen wünsche ich den Kindern!
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